
Der Berry: eine malerische Region im Herzen Frankreichs
Die historische Provinz Berry im Herzen Frankreichs ist ein verstecktes Juwel, das oft im Schatten des benachbarten Loiretals steht, aber mit einer eigenen reichen Geschichte und malerischen Landschaft punktet. Mit seinen beeindruckenden Schlössern, mittelalterlichen Städten und unendlichen Sonnenblumenfeldern bietet der Berry eine faszinierende Mischung aus Kultur, Natur und ländlicher Ruhe — eine Region, die zum Entdecken und Genießen einlädt.
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Anreise
Der Berry liegt in Zentralfrankreich, ungefähr 200 Kilometer südlich von Paris, und grenzt ans Loiretal. Die Region ist sehr ländlich geprägt, deshalb ist vor Ort ein Auto unbedingt zu empfehlen. Da sich die Fahrt von Deutschland aus aber doch zieht, ist die Anreise mit dem TGV bis Poitiers, Tours oder Orléans und dann weiter mit dem Mietwagen durchaus eine Alternative. Von Frankfurt und Karlsruhe aus verkehrt im Sommer samstags sogar ein direkter TGV Richtung Bordeaux, der keinen Umstieg und Bahnhofswechsel in Paris erfordert.
Unterkunft
Einmal in einem echten Schloss schlafen! Das Hapimag Resort Château de Chabenet in der Nähe von Argenton-sur-Creuse ist eine wirklich einzigartige Unterkunft in einem stilvoll renovierten Schloss aus dem 15. Jahrhundert. In dieser märchenhaften Atmosphäre, umgeben von einem weitläufigen Park mit Pool und Tennisplatz, kann man sich wunderbar erholen!
Das Resort ist Teil der Schweizer Hapimag, einer Sharing-Community für Ferienwohnungen, zu der insgesamt 56 Resorts in ganz Europa gehören.



Die Schlösser des Berry
Was wäre der Besuch des Loiretals, ohne mindestens eine Schlossbesichtigung! Im Berry, wie auch im gesamten Loiretal, gibt es unzählige Schlösser. Einige davon, wie das Château de Chambord oder das Château de Chenonceau, sind sehr bekannt und in der Hauptsaison entsprechend gut besucht. Deshalb habe ich mich bei meinem Aufenthalt im August für den Besuch zweier kleinerer Schlösser entschieden.
Château d’Azay-le-Ferron
Ganz im Westen des Berry liegt das Château d’Azay-le-Ferron, ein wahrer Geheimtipp unter den Schlössern der Region. Aus einer Burg aus dem 15. Jahrhundert ist über die Jahrhunderte ein immer größeres Schloss entstanden, dessen Architektur eine Mischung aus Mittelalter, Renaissance und Klassizismus ist. Die Innenräume können im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Die Führungen finden auf Französisch mit kurzen englischen Erklärungen statt, für weitere Sprachen kann man am Empfang einen Schnellhefter mit Fotos und ausführlichen Beschreibungen ausleihen.
Die Besichtigung führt durch 15 Räume, die zum Teil mit sehr wertvollen Möbeln, Gemälden und Tapisserien ausgestattet sind. Dabei hört man zahlreiche Anekdoten über die früheren Besitzer und die Veränderungen, die sie im Schloss vorgenommen haben. So ist ein Salon im Erdgeschoss komplett mit Jagdtrophäen aus Afrika dekoriert, darunter ein vier Meter langes Krokodil!



Das Schloss liegt in einem riesigen Park, der auch unabhängig von der Schlossführung besucht werden kann. Ein Teil davon ist immer noch so angelegt und bepflanzt, wie er Mitte des 19. Jahrhunderts von Landschaftsarchitekten entworfen wurde. Der Rest des Geländes besteht aus Wiesen und Wäldern mit vielen verschiedenen Baumarten. Im Park verteilt findet man immer wieder Bänke zum Ausruhen und sogar einige Picknicktische.



Château de Valençay
Das Château de Valençay im Norden des Berry zählt zwar zu den „Grands Sites“ des Loiretals, ist aber trotzdem längst nicht so überlaufen, wie andere Schlösser in der Gegend. Das Renaissanceschloss wurde ab dem 16. Jahrhundert von der Familie d’Estampes erbaut und über fünf Generationen immer wieder erweitert. Bekannt ist das Schloss jedoch als Residenz von Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord, einem der einflussreichsten Diplomaten während der Französischen Revolution und unter Napoleon, der Valençay 1803 erwarb.



In allen Räumen gibt es ausführliche Beschreibungen auf Französisch und Englisch sowie zusätzliche Informationen per Audioguide, daher kann das Schloss gut ohne Führung besichtigt werden. Die Tour führt zuerst durch die elegant eingerichteten repräsentativen Salons im Erdgeschoss und anschließend durch die Wohnräume Talleyrands sowie seiner Gäste, unter denen von 1808 bis 1814 auch der von Napoleon nach Valençay verbannte König von Spanien war. Besonders interessant fand ich jedoch die riesigen Küchen, Vorratsräume und Weinkeller im Untergeschoss!



Zum Château de Valençay gehört auch ein riesiger Park, der im Vergleich zu Azay-le-Ferron aber längst nicht so schön angelegt ist. Auf dem Gelände gibt es an mehreren Stellen Picknicktische sowie Verkaufsstände mit Kleinigkeiten zu Essen und zu Trinken.
Bourges: europäische Kulturhauptstadt 2028
Bourges, die Hauptstadt der historischen Provinz Berry, ist eine wirklich bezaubernde, mittelalterliche Stadt mit knapp 65.000 Einwohnern und wird 2028 europäische Kulturhauptstadt sein. Bei einem Spaziergang durch die verwinkelten Gassen der Altstadt gibt es viele sehr gut erhaltene Fachwerkhäuser aus dem 15. und 16. Jahrhundert zu entdecken. Überall findet man kleine Galerien und Geschäfte sowie zahlreiche Restaurants und Cafés, die mit ihren Terrassen zu einer Pause einladen (s. Essen & Trinken weiter unten). Wer mit dem Auto anreist, parkt am besten auf einem der großen kostenlosen Parkplätze rund um die Altstadt.



Kathedrale Saint-Étienne
Unbestrittenes Wahrzeichen der Stadt ist jedoch die gigantische Kathedrale Saint-Étienne (place Étienne Dolet, 18000 Bourges), ein Meisterwerk der gotischen Architektur aus dem 12./13. Jahrhundert und UNESCO-Welterbe seit 1992. Besonders sehenswert sind das Hauptportal mit seinen fünf reich verzierten Toren und die vielen wunderschönen Glasfenster.





Wer etwas mehr Zeit hat, sollte unbedingt die Krypta der Kathedrale besichtigen. Da die gotische Kathedrale aus einer deutlich kleineren romanischen Kirche entstanden ist, an dieser Stelle jedoch ein Höhenunterschied von sechs Metern besteht, bekam das neue Bauwerk einen sehr weitläufigen Unterbau über die ehemalige Stadtmauer hinaus, die sogenannte Krypta. Diese kann mehrmals täglich im Rahmen einer Führung besichtigt werden, Karten dafür gibt es in der Kathedrale (s. Tipps & Tricks weiter unten). Aktuell finden die Führungen leider nur auf Französisch statt, aber vielleicht ändert sich das, wenn Bourges europäische Kulturhauptstadt ist.



Ebenfalls sehr zu empfehlen ist die Turmbesteigung, die am Wochenende in Begleitung eines Führers angeboten wird. Wer die 396 Stufen bewältigt hat, wird mit einem einzigartigen Ausblick über die ganze Stadt belohnt.


Auf den Spuren von George Sand
Der Berry ist eng mit der berühmten Schriftstellerin George Sand verbunden. Sand, die bürgerlich Amantine Aurore Lucile Dupin de Francueil hieß, war eine sehr bemerkenswerte Frau: mit ihren zahlreichen Romanen und gesellschaftskritischen Artikeln kämpfte sie für die Gleichstellung der Frau im 19. Jahrhundert und war somit eine der ersten Feministinnen. Um ihre Werke auch veröffentlichen zu können, nahm sie ein männliches Pseudonym an.
Das Maison de George Sand in Nohant
In Nohant, einem kleinen Dorf südöstlich von Châteauroux im Département Indre, steht das Herrenhaus (2 place Sainte-Anne, 36400 Nohant-Vic), in dem George Sand aufgewachsen ist und einen Großteil ihres Lebens verbracht hat. Auch zahlreiche ihrer berühmten Freunde waren in dem Anwesen teils über mehrere Monate zu Gast, darunter Honoré de Balzac, Gustave Flaubert, Franz Liszt und Frédéric Chopin. Chopin zu Ehren findet dort jedes Jahr im Juni und Juli das Nohant Festival Chopin statt.


Das wunderschöne Herrenhaus kann im Rahmen einer sehr interessanten Führung (leider nur auf Französisch) besichtigt werden, Karten dafür kauft man am besten vorab online (s. Tipps & Tricks weiter unten). Die Tour führt durch die Privaträume der Familie sowie in das kleine Theater im Erdgeschoss, in dem George Sand ihre Theaterstücke probeweise aufführen ließ, bevor sie in Paris gespielt wurden. Zum Anwesen gehört außerdem ein schöner Garten, ein Café sowie ein Buchladen, in dessen Obergeschoss eine Ausstellung mit Marionetten von George Sands Sohn Maurice zu finden ist. Auf dem kleinen Dorfplatz vor dem Maison de George Sand kann man ganz entspannt in Liegestühlen Ausschnitte aus George Sands Romanen lesen und dabei Klaviermusik von Chopin lauschen. Wirklich ein ganz besonderer Ort!



Gargilesse
Etwa 40 Kilometer weiter westlich liegt ein weiterer Ort, der mit George Sand verbunden ist: das zauberhafte Künstlerdorf Gargilesse, mit seinen alten Steinhäusern eines der schönsten Dörfer Frankreichs. Hier gibt es viele Ateliers zu entdecken, teilweise kann man den Künstlern sogar bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen.



Außerdem steht in Gargilesse das Sommerhaus von George Sand, in dem heute ein kleines, aber sehenswertes Museum mit Erinnerungsstücken der Familie untergebracht ist. Im idyllischen Schloss mitten im Dorf finden regelmäßig Ausstellungen statt: im Sommer 2025 sind dort Werke von 30 bekannten und unbekannten Künstlerinnen zu sehen, die allesamt während ihrer Schaffenszeit zwischen 1850 und 1950 im Verborgenen arbeiten mussten.



Ebenfalls sehr sehenswert ist die romanische Kirche direkt neben dem Schloss mit ihren geschnitzten Kapitellen. Die Krypta unter der Kirche sollte man auf keinen Fall versäumen: die gesamte Decke ist mit Fresken aus dem 13. bis 16. Jahrhundert geschmückt, die zum Großteil noch sehr gut erhalten sind.



Argenton-sur-Creuse
Argenton-sur-Creuse liegt sehr malerisch am Fluss Creuse, an dem sich ein schönes Fachwerkhaus mit Holzbalkonen ans andere reiht, was der Stadt auch den Spitznamen „Venedig des Berry“ eingebracht hat. Hier kann man wunderbar am Ufer entlang schlendern oder auf einer Parkbank die schöne Aussicht genießen. Unbedingt lohnt sich auch der ungefähr zehnminütige Aufstieg zur Chapelle de la Bonne-Dame, die die Altstadt überragt und einen fantastischen Blick bietet.



Musée de la Chemiserie
Durch die Lage am Fluss gab es in Argenton-sur-Creuse schon lange Gerbereien. Doch als sich 1860 der erste Betrieb zur mechanischen Produktion von Hemden hier ansiedelte, entwickelte sich der Ort rasch zu einem Zentrum der Textilindustrie. In der ehemaligen Fabrik von Charles Brillaud, der ersten Hemdenfertigung in Argenton-sur-Creuse, befindet sich heute mit dem Musée de la Chemiserie et de l’Élégance Masculine (rue Charles Brillaud, 36200 Argenton-sur-Creuse) ein in Europa einzigartiges Museum. Es zeigt auf sehr interessante Weise die Geschichte der Hemdenproduktion, die Arbeitsbedingungen der Näherinnen und die Entwicklung der Herrenmode vom Mittelalter bis heute. Im Obergeschoss ist außerdem eine Ausstellung zu Textilkunst zu sehen.





Essen & Trinken
Das Cake Thé in Bourges (74 bis rue Bourbonnoux, 18000 Bourges) ist ein kleines, charmantes Café, das sich perfekt für eine gemütliche Pause eignet. Am Rand der alten Stadtmauer gibt es eine leckere Auswahl an selbstgemachten Kuchen und Gebäck sowie an außergewöhnlichen Tees.
Die Pâtisserie La Maison du Wladimir in Argenton-sur-Creuse (16 rue Gambetta, 36200 Argenton-sur-Creuse) besteht bereits seit sieben Generationen! Hier gibt es sehr kreative Törtchen und Gebäck, darunter der köstliche namensgebende Kuchen „Le Wladimir“, der aus einem Mandelbiskuit mit Pralinenbuttercreme und Puderzucker besteht.
Wirklich hervorragend gegessen habe ich im Restaurant Le Cheval Noir in Argenton-sur-Creuse (27 rue Auclert Descottes, 36200 Argenton-sur-Creuse). Hier gibt es gehobene französische Küche mit einer saisonalen Karte, bei gutem Wetter auch draußen im sehr schönen Hof.






Tipps & Tricks
Mit einer Fahrkarte der SNCF für den TGV oder Intercités gibt es bei einigen Sehenswürdigkeiten wie dem Maison de George Sand oder der Kathedrale von Bourges Ermäßigung. Die Fahrkarte darf nicht älter als fünf Tage sein und kann direkt beim Ticketkauf vorgelegt werden. Wenn man das Ticket vorab online kauft, einfach den „tarif partenariat“ auswählen.
4 Gedanken zu „Der Berry: eine malerische Region im Herzen Frankreichs“
Es ist immer wieder so interessant, was Du an Reiseschätzen entdeckst.
Vielen Dank, Brigitte!
Danke super interessant, eine Reise in diese Region lohnt sich wirklich.
Ich war auch sehr überrascht, wie vielfältig die Gegend ist!